Die vielen Gesichter des Napoleon B. Es soll auch eine authentische Totenmaske geben - und bis 2004 wusste man auch, wo sie war.Das im Pariser Invalidendom als Totenmaske von Napoleon Bonaparte präsentierte - und von den Franzosen verehrte - Exponat zeigt gar nicht den französischen Herrscher. Davon ist der Franzose Bruno Roy-Henry überzeugt, der sich seit Jahren mit Napoleons Tod beschäftigt.
Die zahlreichen Rätsel um das Ende des "kleinen Korsen", darunter auch die Totenmaske, sind schon seit Jahren Roy-Henrys Passion. Auch andere Historiker haben sich den Abgüssen von Napoleons Antlitz schon gewidmet, da es dabei tatsächlich Unstimmigkeiten gibt.
Zu schön, um echt zu sein Napoleon ist 51-jährig, vermutlich an unbehandeltem Magenkrebs, im Exil auf der Insel St. Helena gestorben. Dass die in Paris zu besichtigende Totenmaske dafür zu "schön" aussieht, ist auch schon anderen Historikern aufgefallen.
Bisher hat man jedoch geglaubt, dass der Abguss einfach nachträglich ein wenig geschönt wurde - um eine würdige Ikone für Napoleon-Verehrer zu schaffen und möglicherweise auch, weil beim Anfertigen des Abgusses "gepatzt" wurde. Das legen zumindest historische Dokumente nahe.
"7. Mai: Um vier Uhr Abdruck gemacht" Angeblich misslang Napoleons Leibarzt Francesco Antommarchi der Abguss mehrmals. Erst nach zwei Tagen schaffte er es offenbar: "7. Mai: Um vier Uhr wurde ein Abdruck des Kaisers gemacht, der völlig entstellt war und sehr schlecht roch", heißt es in einem zeitgenössischen Brief.
Die Totenmaske machte danach eine wahre Odyssee durch. Sie wurde von St. Helena nach England und dann weiter nach Italien geschickt und wechselte dabei mehrmals den Besitzer. Verschiedene Abgüsse und nach der Maske modellierte Plastiken existieren.
Narben der Vergangenheit Laut Roy-Henry zeigen jedoch all diese Abbilder nicht Napoleon. Das will der gelernte Jurist anhand eines Gemäldes des englischen Künstlers Charles Locke Eastlake aus dem Jahr 1815 herausgefunden haben, das als eines der letzten authentischen Porträts von Napoleon gilt.
Das Bild zeigt eine deutlich sichtbare Narbe auf Napoleons linker Wange. Auf der Totenmaske im Pariser Invalidendom - und allen Abgüssen, die damit in Verbindung stehen - ist jedoch von einer Narbe keine Spur. Auch sonst passen einige Details einfach nicht ins Bild.
Wessen Totenmaske es sein könnte "Es ist bekannt, dass Napoleon einen großen Kopf mit ausgeprägtem Unterkiefer hatte", erklärte Roy-Henry gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Keines dieser Merkmale finde sich bei der Totenmaske im Invalidendom. Diese sei wohl die eines anderen Toten.
Roy-Henry will wissen, wessen Totenmaske in Paris tatsächlich ausgestellt wird: jene von Cipriani Franceschi, einem treuen Weggefährten Napoleons, der drei Jahre vor ihm starb. Auch für diese These habe er gute Argumente, so Roy-Henry gegenüber der Zeitung "Liberation".
Alle Details passen Von Cipriani gibt es zeitgenössische Porträts. Tatsächlich "passt" die Totenmaske weit besser zu ihnen als zu Abbildungen von Napoleon. Vor allem hatte Cipriani laut den Quellen eine ausgeprägte Adlernase - wie sie bei der Totenmaske im Invalidendom auffällt.
Roy-Henry geht jedoch noch weiter: Nach seiner Auffassung gibt es eine authentische Totenmaske Napoleons. Und bis zum Jahr 2004 wusste man auch, wo sie zu finden war - in der Londoner Royal United Museum Service Institution (RUSI), in deren Bestände sie 1947 gelangt war.
Eine hässliche "wertlose Kopie" In London hielt man den Abguss jedoch für eine der unzähligen wertlosen Kopien, noch dazu eine unansehnliche: Sie zeigte einen Napoleon mit riesigem Kopf, vorstehendem Unterkiefer, kleiner Hakennase - und Narbe auf der linken Wange.
Fotos der Londoner Maske weisen tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit gerade zu jenen Skizzen auf, die begabte Freunde von Napoleon auf St. Helena anfertigten - ein Umstand, der den Briten offenbar entging. Denn sie beschlossen, das Stück zu versteigern.
Die Spur verliert sich Die Maske wurde dem Auktionshaus Christie's übergeben, wo sie kleinlaut als "mögliche Totenmaske" Napoleons angeboten wurde. Sie wurde schließlich um 15.000 Dollar (etwa 12.000 Euro) versteigert. Die Identität des Käufers ist nicht bekannt.
Lukas Zimmer, ORF.at
Links:
Bruno Roy-Henry "Liberation"-Artikel Napoleon Bonaparte (Wikipedia)
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